E-Autos – und Hybride als eine Art Übergangstechnologie – gelten in breiten Teilen der Politik als Schlüsseltechnologie, um die Treibhausgasemissionen im PKW-Verkehr zu senken. Auch die Autoindustrie setzt auf Elektromobilität – lokal emissionsfrei in Form von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen (BEV). Mercedes-Benz plant beispielsweise vollelektrische Alternativen für jedes ihrer Modelle, die BMW Group spricht von einer »Elektrifizierung der Modellpalette«. Zukunftsvision Antriebswende.
Der Verkehrssektor zählt zu den Hauptverursachern für Treibhausgasemissionen. Nach Zahlen des Umweltbundesamts entfallen aktuell etwa 20 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Sektor Verkehr. Dabei ist der höchste Anteil der Emissionen im Verkehr auf den Straßenverkehr und hier insbesondere auf den PKW-Verkehr zurückzuführen.
Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union nur
noch Neuwagen zugelassen werden, die kein CO₂ ausstoßen.
Aber wie kann die Mobilitätswende gelingen, in einem Land, in dem 230 km/h auf der Autobahn als Freiheit zählt und die Autoindustrie das Herz der Wirtschaft zu sein scheint?
In den vergangen 25 Jahren ist wenig passiert, der CO2-Ausstoß des Sektors Verkehr ist nahezu konstant geblieben. »Obwohl die kilometerbezogenen CO₂-Emissionen seit 1995 gesunken sind, haben sich die gesamten CO₂-Emissionen des Pkw-Verkehrs bis 2019 erhöht«, heißt es beim Umweltbundesamt. Neben steigender Fahrleistungen sei auch der Trend zu größeren und schwereren Fahrzeugen ein Grund für die Zunahme der Emissionen.
Ein Trend, der sich auch bei E-Autos beobachten lässt. Die Beliebtesten waren im vergangenen Jahr Modelle wie der VW ID.4, ein SUV mit 204 PS und einem Gewicht von knapp 2,7 Tonnen – oder Teslas Model Y, mit knapp zwei Tonnen Leergewicht und 300 bis 530 PS – je nach Ausführung. Die drei Tonnen schwere Elektro-G-Klasse von Mercedes-Benz verbraucht auf 100 Kilometern 28,0 Kilowattstunden. Nach rund 12.400 Kilometer hat man also den durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Zweipersonenhaushalts verfahren.
Von allen alternativen Antrieben ist die Elektromobilität mit batterieelektrischen Fahrzeugen laut der Denkfabrik Agora Verkehrswende die Antriebsform mit dem geringsten Energieverbrauch. Im Verhältnis zu einem Verbrenner ist die Entscheidung für ein Elektroauto fast immer die klimafreundlichere Option, wenn man den gesamten Lebensweg von Neufahrzeugen betrachtet. »Da gibt es wenig Zweifel, dass für den Individualverkehr E-Mobilität der effizienteste Weg ist, mit dem wir schon heute die Treibhausgas-Bilanz eines Fahrzeuges grob halbieren können«, sagt Hinrich Helms, der zu verkehrliche Umweltauswirkungen und Maßnahmen forscht. »Und mit fortschreitender Energiewende wird der Vorteil zukünftig größer«.
Aber: »Elektrofahrzeuge können nicht die einzige Strategie sein, um den gesetzten Zielen des Klimaschutzes im Straßenverkehr gerecht zu werden«, heißt es in einem Hintergrundpapier zu Elektroautos, verfasst 2020 vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu).
Zwar liegen die Gesamtemissionen eines Elektroautos mit Baujahr 2024 – inklusive Herstellung, Wartung sowie Entsorgung und Recycling – am Lebensende etwa 48 Prozent niedriger als bei einem Benziner, aber die Produktion verbraucht dennoch Ressourcen. Gerade die Lithium-Ionen-Akkus, die in E-Bikes, E-Scootern und E-Autos als Hauptenergiequelle dienen, sind ressourcenintensiv und klimaschädlich. Mercedes-Benz gibt an, dass die Herstellung eines vollelektrischen Fahrzeugs vor allem aufgrund der Lithium-Ionen-Batterien etwa doppelt so CO₂-intensiv wie die eines konventionellen Verbrenners.
»Die globale Lithiumnachfrage wird nahezu proportional zur Gesamtnachfrage der Batterien in den nächsten Jahren stark wachsen«,prognostiziert das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Und »kritische Rohstoffe« wie Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan, die in der Akkuherstellung eingesetzt werden, stammen vorwiegend aus dem Globalen Süden. Der Abbau steht dabei im Zusammenhang mit Berichten von Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden und Ausbeutung.
»Die globale Lithiumnachfrage wird nahezu proportional zur Gesamtnachfrage der Batterien in den nächsten Jahren stark wachsen«,prognostiziert das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Und »kritische Rohstoffe« wie Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan, die in der Akkuherstellung eingesetzt werden, stammen vorwiegend aus dem Globalen Süden. Der Abbau steht dabei im Zusammenhang mit Berichten von Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden und Ausbeutung.
Und für die Gesamtklimabilanz eines Elektrofahrzeugs ist vor allem der Strommix entscheidend. So hängt die tatsächliche Klimaneutralität des Verkehrs mit E-Autos direkt an der schleppenden Energiewende.
Ein privates Auto ist dabei nicht für alle Menschen erschwinglich – erst recht in Form eines E-Autos. In Haushalten mit niedrigem oder sehr niedrigem ökonomischen Status hatten 37 bzw. 53 Prozent der Deutschen im Jahr 2017 kein Auto. Das ergab die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellte Umfrage „Mobilität in Deutschland” (MiB). “Im Osten Deutschlands ist der Pkw-Besitz deutlich geringer als im Westen”, heißt es im Ergebnisbericht.
Kritiker:innen aus Aktivismus und Wissenschaft fordern deshalb eine umfassende Mobilitätswende, die den Verkehr und den Besitz von Verkehrsmitteln neu denkt. E-Mobilität in geteilten Fahrzeugen und dem ÖPNV einsetzen, Ausbau der öffentlichen Verkehrsangebote – gerade auf der sogenannten letzten Meile im ländlichen Raum – und bezahlbare Angebote wie ein 29€-Ticket könnten demnach Lösungen sein.
Nicht nur, weil eine reine Antriebswende den Klimazielen nicht gerecht werde, sondern auch, weil Mobilität eine Frage der sozialen Gerechtigkeit sei.